Die Fotografie in Referenz...
08.03. 2011 — 30.04. 2011
FOTOHOF, Salzburg

Anatoliy Babiychuk, Anna Barfuss, Adrian Buschmann, Selma Doborac, Karine Fauchard, Julian Feritsch, Manfred Hubmann, Ludwig Kittinger / Fernando Mesquita, Lazar Lyutakov, Anja Manfredi, Christoph Meier, Julia Müller-Maenher, Wolfgang Obermair & Ekaterina Shapiro-Obermair, Georg Petermichl, Max Schaffer, Antoine Turillon, Franz Zar, Marcin Zarzeka, Martin Vesely

Curated by Martin Vesely

Die Fotografie in Referenz ...
von Martin Vesely

Wo fängt man an? Was sind die wesentlichen Charakteristika der Fotografie? Das Objektiv sieht nichts, es nimmt durch einen anderen wahr. Die Übertragung findet mittels einer (technischen) Apparatur, einer Konstruktion statt. Eingehende Dichte, Information wird analog oder digital auf einem Träger abgebildet. Nur in den kurzen Zeiten der Belichtung selbst darf die Fotografie Fotografie sein, mit diesem partiell stattfindendem Kontrollverlust lässt sich Auratisches der Fotografie festmachen. Zu vieles ist in dieser Leerstelle unbestimmt festgehalten, vorerst noch ohne Bedeutung, Informelles hat die Möglichkeit, an die Oberfläche getragen zu werden, „Die Emanation des Referenten“ (Roland Barthes) zeigt sich anhand eines Abdrucks, einer Spur. Die Referenz spekuliert gleichsam mit Wissen, will dekodiert werden, erst in der Betrachtung wird das Vergangene aktualisiert. Misstrauen ist stets angebracht, denn zu viele Faktoren wirken beim Entstehungsprozess ein.

Index, Spur, Abdruck, Referenzialität, technische Reproduzierbarkeit – all dies sind mittlerweile tief in unser theoretisches Vokabular eingeprägte Begriffe, die zwar in erster Linie in der Fotografie bzw. Fototheorie verhandelt werden, jedoch von Beginn an auch als grundlegende Parameter der Kunst und Ästhetik im Allgemeinen fungi- erten. Sich an den Rändern zu bewegen oder in seinen Betrachtungsweisen gar außerhalb zu liegen scheint mir die adäquate Methode zu sein, um Wesentliches im Medium bestimmen zu können.
Den blinden Flecken zu entkommen, nicht davor zu stehen, sich in Varianz zu halten, vielfältige Standpunkte einzunehmen, Perspektiven¬wechsel zuzulassen scheint mir der richtige Weg, um den Informationen den nötigen Platz zu geben. Inhalte, die über lange Zeit der Fotografie zugeschrieben wurden, haben sich schon längst in allen Arbeitsweisen abgelagert, sind durch uns durchgegangen und zeigen sich als fragmentarische Spuren auf vielen Ebenen.

Nicht jedes Mal ist der “fotografische Kontext” automatisch oberste Prämisse, dennoch wird dieser stets implizit mitgedacht, oft sedimentiert, zuweilen konkret abgespeichert und ist Teil von Übertragungen.
Ve.Sch, ein Kunstraum mit hohem Takt, sieht sich mitunter auch als Apparatur, als “Camera”, in der die Informationen unentwegt durchgehen, abgespeichert werden. Wesentliche Informationen sind erst mit der Zeit als Spur oder Abdruck abzulesen. Technische Charakteristika prägen den Raum, Prozessuales gibt ihm Potenzial. Neutral und zurückhaltend schreiten wir voran, an den Rändern wird wahrgenommen. Das Manövrieren zwischen den Kategorien eröffnet erst den Raum für Übersetzungen. Ich bleibe dabei: Erst durch das Zurückgeworfensein auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner, bekommen die Dinge ihre (informelle) Aura zugesprochen, sind die “poetischen” Übersetzungsräume nach Benjamin vorstellbar. Ohne Kontext ist’s nicht zu erreichen, punktgenau sollte jedoch auch nichts vorgenommen sein ...

Kapitel II (Auszug aus amature enlightenment):
von Georg Petermichl

Vor drei Jahren las ich in Burkard Michels Bild und Habitus, wie umständlich in der Sozialwissenschaft zwischen alltäglichen Fotos und bedeutsamen unterschieden wird – und zwar letztlich deswegen, um das geisteswissenschaftliche Objektivitätsgebot erfüllen zu können. Ein paar Seiten davor wurde detailliert ausgeführt, in welchen Aspekten sich eine Fotografie von der Wirklichkeit unterscheidet, bzw. in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen. Michel, ein deutscher Soziologe, zeichnet in dieser Dissertation den Prozess der Sinnbildung bei der Rezeption von Fotografien nach; Die herausgegriffenen Überlegungen sind nur Randbemerkungen zu Beginn, aber diese Gedanken entschleunigen seitdem meine Welt der künstlerischen Fotografie.

Zunächst weise ich darauf hin, dass Soziologen das Betrachten von Bildern unter performativen Aspekten begreifen: Rezeption ist eine aktive Handlung. Die Trennung zwischen dem rezipierenden Subjekt gegenüber der Realität als dessen Objekt ist insofern aufgehoben, als die Rezipierenden durch ihre Körper (ihr Vorhandensein) in die Realität eingebunden sind. Nach dem Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty verliert das Sehen damit „seine konstruktive Statik und technische Abstraktheit, – gewinnt die ihm eigentümliche Prozessualität zurück, seine Einbindung in den Körper, dessen Augen sehen.“ (Michel 2006 : 15)
Mit dem italienischen Semiologen Umberto Eco lässt sich anschließen, dass der Sinn eines Bildes als Interaktionsprodukt zwischen Rezipient und Bild entsteht. Bilder strukturieren den Prozess der Sinnbildung, aber sie lassen auch Freiräume der Interpretation. In dieser „Dialektik von Form und Offenheit“ (Eco 1972 : 166) nehmen gegenständliche Fotografien aufgrund des besonderen Ähnlichkeitsverhältnisses zur Realität eine spezielle Rolle ein: Formal tragen sie evidente Spuren der fotografierten Szene, sinnbildlich bleiben sie aber höchstgradig offen.

Fotos stehen durch den Prozess der Filmbelichtung in einem kausalen Verhältnis zur Wirklichkeit. Zusätzlich ähnelt der fotochemische Prozess dem biochemischen, der das menschliche Sehen ermöglicht. Fotos haben damit einen intimen Bezug zur abgebildeten Wirklichkeit. (1) In der Zweidimensionalität, sowie in der Fixiertheit des Moments und der Perspektive unterscheiden sich Fotos und Wirklichkeit aber gravierend. Zweidimensionalität, räumliche und zeitliche Fixierung können in ihrer Bedeutung für die Sinnproduktion letztlich im Phänomen der Rahmung (bzw. des Ausschnitts von Fotografien) zusammengefasst werden. Nach Max Imdahl, ebenfalls deutscher Soziologe, führt diese sogenannte Einansichtigkeit zu einer Reduktion der Komplexität, die eine spezielle Leistung der Fotografie darstellt, bzw. das „Wesen der Bildlichkeit“ definiert. Bilder haben letztlich nicht die Aufgabe die Realität abzubilden, sondern die Realität sichtbar zu machen: Durch die Festlegung auf eine Ansicht, wird diese all den anderen, ebenfalls möglichen Ansichten vorgezogen. Zusätzlich erhält jene Konstellation, die in der Realität zufällig und ungeordnet erscheint, durch den Rahmen eine innere Ordnung. „Die Teile in Relation zum Ganzen bilden eine Struktur, die den Eindruck einer ‚Ordnung’ bzw. eines ‚Kosmos’ erwecken.“ (Michel 2006 : 52) Die Konstellation der abgebildeten Gegenstände oder Personen wird als nicht-kontingent erlebt. (vgl. Michel 2006 : 50ff )

„‚Kosmos’ und ‚Ordnung’ können als das Gegenteil von Chaos und Kontingenz verstanden werden.“ (Michel 2006 : 52) – So komme ich wieder zur Ausgangsverwunderung dieses Kapitels: Durch die Rahmung, oder Einansichtigkeit der abgebildeten Realität stünde jedes Foto in einem Bedeutsamkeitsverdacht. Wie unterscheidet man zwischen bedeutenden und alltäglichen Fotos? „Als Beispiele [für alltägliche Fotos] wäre an die ersten Fotos nach dem Einlegen eines neuen Films zu denken, die nur den Fußboden zeigen oder an Fotos, die als ‚Schnappschüsse’ im privaten Kontext aufgenommen wurden und ein willkürliches Arrangement von Personen und Objekten zeigen (etwa bei deiner privaten Feier, im Urlaub o.ä.) Trotz ihres Rahmens stellt sich bei diesen Fotos nicht unbedingt ein ‚geordneter Eindruck’ ein, der das Bild einem ikonischen Bedeutsamkeitsverdacht aussetzt.“ (Michel 2006 : 53; Fußnote 28)
Michels Anmerkung ist wohl korrekt, auch wenn seine Beschreibung ausgesprochen poetisch klingt und mich deshalb zu einem Einwand oder überhaupt zu einer Widerlegung inspiriert: Ist nicht jedes dieser Fotos deswegen bedeutsam, weil es Michel so hervorhebt? Jedenfalls plädiert er gemeinsam mit dem englischen Kunstkritiker und Schriftsteller John Berger dafür, die Unterscheidung zwischen bedeutsamen und alltäglichen Fotos auf der Ebene des Gebrauchs zu treffen, und teilt damit in private und öffentliche Fotos: „The private photograph – the portrait of a mother, a picture of a daughter, a group photo of one’s own team – is appreciated and read in a context which is continuous with that from which the camera removed it.“ (Berger 1991 : 55; Herv. im Original).
Die Betrachtungssituation steht also bei Privatfotos mit der Aufnahmesituation in einem kontinuierlich-fortgeschrittenen Verhältnis – das Bild wird dabei nicht als Bild erfahren sondern als Spur des Ereignisses. Der Sinn des Fotos ist für die Betrachter unmittelbar evident und seine innere Ordnung verblasst als banal, alltäglich und „unbedeutend“.
Vieles erscheint mir an dieser Unterscheidung fragwürdig, was in diesem Fall mit erfrischend und unterhaltsam gleichzusetzen ist: Der Vergleich zwischen Betrachter- und Produktionssituation zum Abgleich der Bedeutsamkeit ist inspirierend; sie rückt das soziale Umfeld des Bildproduzenten ins Rampenlicht. Die von Michel vorgestellte Unterscheidung des Gebrauchs von Fotografien in die beiden Bereiche öffentlich und privat ist sicherlich verkürzt dargestellt. – Wissenschaftliche Abbildungsverfahren, Mitarbeiterportraits, oder eben Amateurfotografien fallen nur als Beispiele dann nicht aus diesem Rahmen, wenn wir hier von einer Bandbreite zwischen öffentlich und exklusiv ausgehen, anstatt von öffentlich und privat zu sprechen.

(1) Denkt man an Fahndungsfotos, so soll sich der Wahrnehmungseindruck des Fotos größtmöglich mit dem Wahrnehmungseindruck der abgebildeten Person überschneiden.

Erster Text
von Franz Zar

Die bildende Kunst fasst in institutionalisierter Form den Drang des Menschen, aus der Gesamtheit aller von ihm geschaffenen Dinge die schönsten auszuwählen, zu sammeln und in ihrer Beschaffenheit zu untersuchen, um Schönheit zu einer reproduzierbaren Eigenschaft zu machen. Die spezifische Leistung der bildenden Kunst besteht in der geistigen wie materiellen Herstellung eines Raums, in welchem die Auswahl, die Sammlung und die Untersuchung jener Dinge geschehen kann.
In seiner konsequentesten und bis heute gültigen Form ist dieser Raum eine Errungenschaft der Aufklärung, seine materielle Manifestation ist das Museum und seine konstitutive Eigenschaft ist die Autonomie. Er ist einzig für die Beurteilung und Kategorisierung sichtbarer sowie ideeller Schöpfungen nach ausschließlich ästhetischen Kriterien bestimmt (auch eine Idee besitzt ästhetische Wirkung).
Daraus folgt, dass nur solche Schöpfungen in diesem Raum sinnvoll erörtert werden können, die keine andere Funktion haben, als präsentiert und betrachtet zu werden. Keine darüber hinausgehende Funktion kann in diesem für die Analyse autonomer Ästhetik geschaffenen Raum für sich genommen relevant sein; sie tritt lediglich als untergeordnetes Element der ästhetischen Wirkung in Erscheinung.
Die derart ausgewählten, gesammelten und im Vergleich zueinander beurteilten Schöpfungen (den Bestand der ersten Museen und damit die erste Festsetzung des modernen Kunstbegriffs bilden Malerei, Skulptur und Zeichnung) werden gemeinhin unter dem Begriff (bildende) Kunst zusammengefasst.
Die beiden größten Zäsuren in der Entwicklung des modernen Kunstbegriffs sind die Publikation der ersten Kunstgeschichte im 16. Jahrhundert (Giorgio Vasari) und die Erfindung des Museums im 18. Jahrhundert. Erstere bildet die geistige Voraussetzung für zweitere.
Das Museum tritt nicht als Gefäß in Erscheinung, das einen bereits existierenden Bestand an Kunst bloß aufnimmt, sondern es ist vielmehr ein Medium, das durch seine Praxis des Präsentierens bestimmter Objekte die Festlegung dessen, was Kunst überhaupt ist, erst hervorbringt.
Die Kunst des 20. Jahrhunderts ist in ihrer historisch einzigartigen Vielgestaltigkeit und Innovationskraft nur vor dem Hintergrund der Institution Museum zu verstehen. Ihre Aufgabe und ihr Anliegen bestehen im Wesentlichen in dem ständigen Versuch, den gesammelten und etablierten Bestand an musealisierten Werken zu erweitern.
Diesen Versuch der Erweiterung gemäß der Logik der Sammlung (Groys) anzunehmen oder abzuweisen (bzw. zu ignorieren) ist die Aufgabe des Kunstdiskurses.
Das wichtigste Medium der Präsentation und Rezeption von Kunst ist nicht die Ausstellung, sondern die publizierte Reproduktion. Damit untrennbar verbunden ist der das Kunstwerk reflektierende Text, dessen Funktion im Wesentlichen aus folgenden Bereichen besteht:

Erstens die Begründung, warum ein im Grunde beliebiger Gegenstand nun in die Tradition bspw. der abendländischen Skulpturen- oder Malereigeschichte einzufügen ist und welche Rolle dieser neue Gegenstand, das besprochene Kunstwerk in diesem historischen Zusammenhang hat.
Zweitens die Etablierung werkimmanenter Hierarchien. Das Lebenswerk eines Künstlers bspw. wird in das Frühwerk, einige Hauptwerke und das Spätwerk gegliedert, mit zeitgenössischen sowie historischen Positionen verglichen und bewertet. Die Vielzahl künstlerischer Positionen wird in übergeordnete Kategorien gegliedert (z.B. „deutscher Expressionismus“). Innerhalb dieser Kategorien wiederum werden weitere Differenzierungen eingeführt, z.B. die Bestimmung der Pioniere und ihre Abgrenzung von den epigonalen Positionen.
Drittens die Verknüpfung der behandelten Gegenstände mit anderen Wissensdisziplinen wie z.B. Geschichte, Literatur, Philosophie oder Psychologie.

Durch die drei genannten Aufgabenfelder leistet der erörternde Text sowohl die Auswahl der Werke, wie auch deren historische, ideelle und formale Kategorisierung. Durch die Selektion des Diskurses ergibt sich, welche Objekte ihren Weg in die Ausstellungsräume und Archive der Museen finden, um als Publikation (z.B. in Form des Lexikons, des Ausstellungskatalogs, der Monographie) Teil des etablierten, historisierten, systematisierten Kunstbestands zu werden. Ein anschauliches Modell dieser Mechanismen bietet der Setzkasten.
Die bildende Kunst ist nicht die Gesamtheit der im Setzkasten befindlichen Objekte, sondern sie ist der Setzkasten selbst. Ihre Aufgabe besteht in der Legitimation immer neuer Fächer. Die spezifische Bedeutung der Reproduktion für die bildende Kunst besteht darin, dass ein Objekt ausschließlich in Form einer reproduzierten, publizierten Fotografie Eingang in den Kunstdiskurs finden kann. Die Ausstellung kann ohne begleitende Publikation niemals über eine lokal und zeitlich eng begrenzte Wirksamkeit hinauskommen, selbst wenn sie von mehreren hunderttausend Personen besucht würde.

Nur die Reproduktion erlaubt es einem Objekt, ob öffentlich ausgestellt oder nicht, über enge zeitliche und räumliche Beschränkungen hinaus rezipiert und reflektiert zu werden.
Erst die Möglichkeit, auch viele Jahre nach dem Besuch einer Ausstellung ein Objekt immer und immer wieder in reproduzierter Form zu betrachten, lässt die eingehende Reflexion überhaupt erst zu. Nur das gut eingeprägte, verinnerlichte Objekt kann reflektiert werden. Erst durch die Reproduktion kann es über die räumlich zeitlichen Grenzen des Objekts hinaus eingeprägt und verinnerlicht werden. Nur durch die Reproduktion ist der internationale, epochenübergreifende Diskurs denkbar. Allein in Form eines medialen Derivats, d.h. der veröffentlichten, fotografischen Reproduktion kann das Werk in den Kunstdiskurs eingeführt werden, durch welchen wiederum die Eingliederung in die museale Sammlung genauso wie der Erfolg am Kunstmarkt ermöglicht wird.
Eine der wesentlichsten Aufgaben des Museums seit seiner Erfindung ist die Öffentlichmachung von Inhalten, die bis dahin lediglich einer kleinen Elite vorbehalten waren. Das Museum ist ein Projekt der Aufklärung, und somit ist jede quantitative Verbreitung der museal präsentierten Inhalte in dessen Sinn. So wie das gedruckte Flugblatt, der gedruckte Text Agenten der Aufklärung sind, so ist das reproduzierte Abbild Agent des musealisierten Objekts.
Die reproduzierbare Abbildung von Kunstwerken hat ihre wesentlichste und kunsthistorisch bedeutendste Aufgabe aber nicht in der Heranführung von Kunstobjekten an eine möglichst große Anzahl von Rezipienten, sondern in der Verbreitung künstlerischer Innovationen innerhalb der Kunstproduzenten selbst.
Die Renaissance ist ebenso wie die Reformation ohne Reproduktionsverfahren wie Holzschnitt und Kupferstich undenkbar, wie erstere ja ohnedies auf die Neurezeption der Kopien antiker Texte zurückgeht, somit selbst eine Verkettung diverser Reproduktionsvorgänge. Die bildende Kunst und ihre Funktionen, die Beschreibung und Reflexion einer großen Anzahl von Werken unter systematisierbaren Aspekten, ist als institutionalisierte Wissensdisziplin ohne die Reproduktion von Text und Bild nicht realisierbar. F.Z.

__Anmerkungen zur möglichen Organisation der Ausstellung „Die Fotografie in Referenz...“ zu einem autoritären Phantomgebilde im Raum Visualisierung des Raumes in Zeit. Oder Transformation durch perspektivischen Überbau

von Selma Doborac

Durch die Darstellung, in der Art und Weise der Darstellung von etwas im Raum übernimmt dieser gleichermaßen die Abhandlung von Zeit. Der Raum leitet die Umwertung seiner prädominierenden Tendenzen in einem ihm entsprechenden Wesen (Materialität, Ordnung, Funktionalität) ein, d.h. der Raum teilt sich in der ihm zur Verfügung stehenden, in einer ihm zu Teil gemachten, Gegenständlichkeit mit. Er teilt sich in dem, was er ist und in dem, zu was er so dann gleich wird, mit.
Prägend für diesen Vorgang und für das Geschehen im Raum ist nicht unbedingt die bloße Beschaffenheit des Raumes an sich, sondern die Möglichkeit, die sich in ihm ergibt. Es ist seine Fähigkeit eine Fusion von Real und Simulationsraum zu bewerkstelligen, welche wiederum seine potenzielleste ist, da sie die Unterscheidung von Verhältnissen sich zu einander ergebender Erscheinungen in ihm fundiert.
Die Realzeit wird nebensächlich, verschwindet, während die im Raum verlaufende Zeit figurativ zu wirken beginnt. In der Repräsentation und durch die (von diesem Zeitpunkt an umgewidmete) Nutzung von Raum, d.h. durch eine solche Konstruktion eines so zu nenneden Überbaus im Raum (z.B. Installation im Raum) und durch daraus entstehende Bezugssysteme zum Außen, zum Ort selbst und zu den Objekten und den Personen im Raum, wird deutlich, dass das tatsächlich Dargestellte (Präsentation) endlich nur der Raum ist, welcher in seiner dieser Darstellung und durch die jeweils in ihm beständige Gegenständlichkeit übersetzbar und wahrnehmbar geworden ist; So weit besetzbar durch die ihm eigenen, die in ihm stattfindenden Strukturen, die alleinig in Systeme von Lesbarkeit umgewandelt werden.
In dieser Materialität, die gleichermaßen seine Mitteilbarkeit beschließt, ist der Raum der Gattung Dinglichkeit zugeordnet, welche wiederum durch vorhergehende Verdinglichung zustande gekommen sein muss. Wenn dieses Ergebnis seine Faktizität kategorisiert lohnt es sich kurz eine Darlegung über ein mögliches Prinzip der Formation von Dingen; Oder die Verdinglichung anzudenken, die in diesem Zusammenhang die haptische und räumliche Formung einer Situation oder die allgemeine Aufführung und die hauptsächliche Produktion von Kunst im Raum überhaupt zu bezeichnen sucht, in welcher oft und vorallem oft gut genug (vorteilhaft erschliessbar an Hand etwaiger Aufführungspraktiken der filmischen Rauminstallation, oder der räumlich organisierten Präsentation neuerer Medienkunst) Verhältnisse hergestellt werden, worin optimierte Darlegungsoptionen und Deutungsgleichnisse, also gewißermassen Erträge für das Betrachten, und somit für das Rezipieren, dieser, so, und nicht anders arrangiereten, medial so, und nicht anders bestellten Kunst zu Tage treten können.
So liesse sich bündig behaupten, dass dann die notwendige oder wünschenswerte (also für die Autonomie und den Selbsterhalt des Kunstwerks vielleicht essentielle und wiederholt nötige) Re-Kontextualisierung im Deuten von Kunst-Objekten im Inbegriff wäre, materiell und suggestiv, räumlich aufnehmbar gemacht zu werden. Diese materialimmanente Methodik wäre gleichermaßen auf erwähnte Raum-Zeit-Verhältnisse und ihre Interpretationen (und Rezipierbarkeit) anwendbar, wenn es um die Behandlung einer Ausbildung und Etablierung von Sinn durch Verortung, Funktionalität, Materialität und Medialität geht; Eine solche Vorstellung wiederum, fundiert die Veranlassung einer gewissen Erzeugung von Unterscheidungsprinzipien in Vorgängen der Interpretation hinsichtlich sowohl der Aufführung, als auch der Repärentierbarkeit des Dinges als passive Erscheinung im Raum (in Bezug auf die mögliche Betrachtung); Und beschließt rückwirkend den dann und dort, materiell und medial arragierten Raum, in dem ihm zugeführten Kontext; Begießt seine so zu nennde neue Grammatik, weil im Prinzip so die Herausbildung des Raumes als vollständiges Objekt in der dort und dann ablaufenden Zeit erfahrbar wird, während gleichlaufend die Etablierung des Raumes als ausschliesslich dieses Objektes, durch die Erzeugung bestimmter Parameter in ihm, beschrieben und vollführt wird, und zwar eben in ihm selbst, an der Schnittfläche zwischen Suggestions- und Realraum.
In dieser Besetzung erschließt sich der Raum als eine Erscheinung, die außer sich steht und im praktischen Sinn kommentatorisch wirkt. Der Raum wird erst durch die Mittel der Komposition und der Wahl des Arrangements in ihm fähig als ein selbstständiger Ort zu fungieren, in dessen Rahmenbedingungen die Aufhebung fixer Verhältnisse in beliebigen Weisen begangen werden kann. Eine dann und dort durchgängig andauernde Perspektive, welche sich regelrecht im Raum ergibt, ist definiert durch motivisch gestaltete Darstellungsebenen- und schichten (Ausstellungssituation) und durch darin zu Stande gekommene Zusammenhänge (Repräsentation) einerseits, und die Kollaboration der aufeinander wirkendenden Einflusse dieser Perspektiven im Raum macht es möglich andererseits, Kreuzungstellen zwischen der Mitteilung des Konkreten (materiell) und der Mitteilbarkeit des Abstrakten (imagintiv) herzustellen, womit gewährt wird, dass beide Verhältnismässigkeiten in so ferne (oder so nahe) zusammenführbar werden, dass variable Raumkonstellationen weitgehend vervielfachbar werden.
Gemeint ist sowohl die Verortung, als auch die Bestimmbarkeit von etwas im Raum, welcher zum Ausstellungs und Aufführungsraum organisiert wird, und welcher deshalb vorzugsweise als eindeutiges Geschehnis registriert und wahrgenommen werden kann, wenn sicher gestellt wird (z.B. seitens des Künstlers), dass in dort vorherrschende Abhängigkeiten oder solche Abhängigkeiten evozierende Verhältnisse bewerkstelligbar werden. Das bedeutet, dass erst durch die Herleitung und Bestimmung von Koordinaten im Raum (eigentlich durch die Produktion von Kunst im Raum, sprich durch eine räumlich organisierte, installative Kunst) bisher ungebündelte Linien an bestimmten Punkten zu Knotenpunkten oder Pfaden werden, wo mit eine Verdichtung zustande kommt, die, vereinfacht gesagt, Formen des Ersehens möglich machen. (Oder, gemäß Wittgenstein: ähnlich dem Entstehen von Relationsfeldern, worin durch Häufung, die Interaktion und die Interpolierung zwischen dem Subjekt und dem Objekt dringend erfahrbar wird)
Diese Übersetzung eines Ortes auf ein vielfach Mögliches erscheit mir deshalb zweckmäßig, da in der Metamorphose, der Raum selbst zum Medium wird, in welchem er sich wiederum mitteilt usw. einerseits, und andererseits die jeweils stattfindende Erzählung im Raum deshalb nachdrücklicher und präziser wird, da sie die Unbeweglichkeit des zum Ding geworden Konstruktes Raum aufhebt.
Weil die Beständigkeit der Passivität des Dinges nicht nur im Raum weiters auch im Kunstwerk als offenkundiges Ereignis vonstatten geht, muss ein dieser Passivität zuvorkommender, oder ein mit ihr in Korrespondenz stehender Prozess beigestellt werden (hier sei dieser Vorgang als das Schaffen eines (phantasmatisch-)perspektivischen Überbaus im Raum, an Ort, an Stelle, dort und dann bezeichnet), welcher in seiner gegenständlichen Beschaffenheit derart überreizt ist, dass es so durch zur Re-Orientierung gewohnter Wahrnehmung im Raum und im Deuten von Raum kommt (sei es in Beweglichkeit oder im Focus des Betrachters, als zu mindest eines, der möglichen vorkommenden Geschehnisse), was die anfangs erwähnte Tendenz eines unabdinglichen Zustandekommen-Wollens des zum Objekt gemachten Raumes gleichfalls als seine eigentliche Bedeutung zu bezeichnen sucht, ihn als eigenständig fungierendes Gebilde festigt, ihn zum Aufführungsort macht, und die Herausbildung eines differenten Bewusstseins- und Wahrnehmungsereignisses im Perzeptionvorgang des Subjekts zu Stande zu bringen vermag.

UpExhibitions