Into this house we're born
Into this world we're thrown
Like a dog without a bone
An actor out on loan
Riders on the storm
The Doors, 1971
Das karierte Geschirrtuch hängt ordentlich gefaltet in der Küche. Die Vorhänge sind zugezogen. Es ist nach sechs. Die Nachrichtensendung beginnt. Ein Sturm zieht auf.
Mit seiner Einzelausstellung „all clear“ begibt sich Max Schaffer mit gewohnt reflektiertem, und doch ein wenig schelmischem Selbstverständnis auf unsicheres Terrain. Eine raumgreifende Installation aus neuen Textilarbeiten stellt unvermittelt klar, dass eine domestizierte Idylle sich im Umbruch befindet. Klassische Geschirrhandtücher hat der Künstler, dessen Strategie sowohl konzeptuell als auch formal im Spannungsverhältnis von Alltagskultur und kulturellem Diskurs in einer vielschichtigen Verkettung aus Aneignungen und Referenzen besteht, diesmal zum Grundmaterial seiner Ausstellung erklärt; nicht etwa als Readymade, sondern als Gegenstand eines Übergriffs. In Batiktechnik mit schwarzer Farbe gefärbt bringen die mit biederer Häuslichkeit assoziierten Textilien in aller Direktheit zum Ausdruck was als subtiler Unterton das ganze Ausstellungskonzept prägt: Etwas ist hier aus den Fugen geraten, das Unkontrollierbare, Unbekannte, Andere hat sich über die gute Ordnung ergossen und lädt nun zur unausweichlichen Konfrontation mit einem nicht näher benannten, in jeder Hinsicht aber nicht mehr rückgängig zu machenden Geschehnis ein.
„Let's show Irma that we shoot first” lautete ein Facebook-Eintrag, als 2017 Hurricane Irma über den amerikanischen Bundesstaat Florida hinwegfegte. 54.000 Menschen hatten sich für das Event „interessiert“. „Don’t shoot at the storm“ konterte die Polizei schließlich, mit der Begründung (sowie einer begleitenden Infografik), die Kugeln würden zurückkommen, ihre Richtungsänderung sei unkalkulierbar, die Folgen nicht absehbar. Ein Boomerang Effekt.
Die domestizierte Form bietet keine Zuflucht vor den Entwicklungen der Welt. Das Raster kann die Farbe nicht bremsen, eine Form, die nun ihrer eigenen Systematik folgt: Zirkular, wie ein Sturm, der unaufhaltsam seine Kreise zieht.
So konform das Ausgangsmaterial – das klassische Geschirrtuch in Variation – zu sein scheint, so unterschiedlich fallen die einzelnen Endprodukte aus: Das Unvorhersehbare der als einer „alternativen“ Kulturströmung zugeschriebenen Technik des „Tie Dye“ tritt auch bei gleicher Farbe, gleicher Schnürung und gleichlanger Einwirkzeit zu Tage. Eine Unterwerfung scheint unmöglich.
Assoziationen zu den emanzipatorischen Strategien der Counterculture oder der gegenwärtig vielerorts als Angriff auf die konservative Wertegesellschaft aufgefasste Offenheit gegenüber neuen und alternativen Lebensmodellen lässt die Arbeit ebenso zu wie ein kritisches Nachhallen der jüngsten gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Europa und den USA.
„Die Schoten dicht machen“ affirmieren kubische Körper aus unterschiedlichen Materialien, die formal an Nistkästen erinnern, doch Ein- und Ausgang haben sie keinen. Hermetisch verschlossen trotzen sie dem Wirbel, wirkliche Zuflucht bieten sie aber weder im Drinnen noch vor dem Draußen.
Doch das Verschließen erscheint ebensowenig sinnvoll wie der Frontalangriff, der Aufstand entsteht im Inneren: Das Private ist immer politisch. Längst hat die vermeintliche Unterwanderung gesellschaftlicher Normen sich bereits mehrfach vollzogen, eine Aneignung, vielmehr noch: eine Vereinnahmung als Entgegnung einer kulturellen Hegemonie, die ihrerseits längst aus dem Ruder gelaufen ist. Max Schaffer stellt das Unerträgliche der sogenannten Heimatkultur in einem subversiven Akt zur Disposition und hat die Wände damit tapeziert – eine eindringliche immersive Vergegenwärtigung eines andauernden Wetterumschwungs. “all clear”, so der Künstler, ist eine vermeintliche Entwarnung, wir dürfen noch lange nicht aufatmen.
Marlies Wirth, März 2018